Stellt man die richtigen Fragen? Gibt es überhaupt richtige Fragen? „Wann werden wieder Gottesdienste mit der ganzen Gemeinde gefeiert?“ – das ist wahrscheinlich eine Frage, die sich viele Gläubige stellen. Die letzten Wochen waren für jeden von großer Umgewöhnung gezeichnet. Als Zeitzeugen politischer Repression in unserem Heimatland Polen kennen wir uns mit Einschränkungen im Leben aus. Es kam aber nie soweit, dass man selbst vor einer Kirche vor verschlossenen Türen stand. So sind wir glücklich und dankbar, dass mittlerweile wieder Gottesdienste mit der Gemeinde möglich sind und wir immer häufiger zusammenkommen. In den letzten Monaten haben wir uns wahrscheinlich mehr Fragen gestellt als je zuvor.
Sicher ist allen „Google” ein Begriff. Angefangen als Internet-Suchmaschine ist Google mittlerweile mit derart vielen Funktionen und Daten bestückt, dass man sich das gar nicht vorstellen mag. Eine der Funktionen ist die Auswertung, wo, wann und wonach gesucht wird. So kann beispielsweise für einen bestimmten Teil der Welt nachvollzogen werden, wie oft nach dem Begriff „Corona“ gesucht worden ist und in welchem Zeitraum dies am häufigsten geschehen ist. Stellen Sie sich nun vor, es gäbe eine ähnliche Apparatur für die in Gedanken gestellten Fragen jedes Menschen. Wie sähe die Auswertung für die letzten Wochen und Monate aus? Wie sähe das Ergebnis für Europa, wie für Südamerika oder Afrika aus?
Gewiss gäbe es einige Gemeinsamkeiten zum Beispiel in den Fragen, wann man denn seine Familie wieder treffen kann oder was man aus dieser Zeit für sein weiteres Leben mit nimmt? In einigen Ländern würden aber auch solche Fragen auftauchen wie: „Wann kann ich wieder ins Fitnessstudio?“, „Wann kann ich wieder meine Freundet reffen?“, „Warum muss ich solange auf mein Paket warten?“. In anderen Ländern würde man Fragen dieser Art in den Gedanken der Menschen nicht finden. Vielmehr tauchten Fragen zu Problemen auf, die man vorher auch bereits hatte, diese aber nun noch gravierender sind. „Bekommen wir noch etwas zu Essen?”, „Reicht das Trinkwasser aus?”.
»Besonders wichtig, nicht nur in diesen Tagen, sondern jederzeit ist
die Fähigkeit, in der eigenen Sicht auf die Welt mehr Empathie
zu zulassen, seine Bedürfnisse, zumal es einem gut geht, öfter
zu hinterfragen und versuchen, Hoffnung zu verbreiten,
wo sie nicht gegeben ist.«
Fragen solcher Art würde die Apparatur für den größten Teil Europas wohl wenig bis gar nicht erfassen. Und ohne die harten Schicksale schmälern zu wollen, von denen es in den letzten Wochen auch in Europa zweifellos viele gegeben hat, können wir uns glücklich schätzen, dass wir die Pandemie in einem Teil der Welt erleben, in dem es von allem Lebenswichtigen zu Genüge gibt und man sich eben nicht die Fragen stellt, ob durch die zahlreichen Einschränkungen bedrohliche Einschnitte im Leben zu befürchten sind. Wenn man weiß, dass die Nichten, Neffen und Enkel in einem guten und liebevollen Umfeld Zuhause sind, die Oma und Mutter mit Vorbelastung durch Krankheit in Obhut der Familie ist oder nur fünf Fahrradminuten entfernt wohnt, sollte man neben den vielen Fragen, die man sich für seine Situation stellt, vor allem auch dankbar zeigen. Dankbarkeit dafür, dass man selbst helfen und andere Menschen unterstützen kann.
Das müssen keine groß angelegten Aktionen und Spendensammlungen sein, sondern einfach nur ein Klopfen an der Tür des Nachbarn oder ein Anruf bei der Mutter, um nachzufragen, ob irgendetwas benötigt wird. Viele unserer Einschnitte in die Gewohnheit konnte man anderweitig gestalten. Die Gottesdienste an Ostern wurden online verfolgt. Mit der Familie hat man sich über Videoanrufe vernetzt. All das hat uns Hoffnung gegeben. Hoffnung, die viele Menschen nicht haben konnten oder gar durften.
Um den zu Beginn gestellten Fragen keiner Antwort schuldig zu bleiben, kann durchaus behauptet werden, dass jeder Mensch für sich selbst evaluieren muss, ob er die richtigen Fragen stellt. Das kann im Nachgang passieren oder auch bereits während die Frage gestellt wird. Besonders wichtig, nicht nur in diesen Tagen, sondern jederzeit ist die Fähigkeit, in der eigenen Sicht auf die Welt mehr Empathie zu zulassen, seine Bedürfnisse, zumal es einem gut geht, öfter zu hinterfragen und versuchen, Hoffnung zu verbreiten, wo sie nicht gegeben ist. Und so sollte dieses kleine Virus, wenn es uns Gott sei Dank nicht körperlich heimgesucht hat, um seine Wirkung zu entfachen, auch etwas hinterlassen, das uns an genau diese Dinge erinnert.
Familie Banasiak, Familie Onyedilli, Maria Karmanska, Hamburg