Meine Frau und ich gehören zu der Gruppe der besonders Gefährdeten – meine Frau wegen einer überstandenen Krebserkrankung, ich wegen des Geburtsdatums – was in dieser Corona-Zeit noch eine zusätzliche Herausforderung wurde. Konsequenz: freiwillige Quarantäne.
Das Leben bekam von einem Tag auf den anderen neue, unbekannte Dimensionen. Gewohnte und geliebte menschliche Nähe zu Kindern, Enkeln, Freunden wandelte sich in Ferne, die Kultur mit Konzerten und Theatern geschlossen. Selbst das täglich notwendige Besorgen, Einkaufen wird zum Problem. Ja und besonders schmerzlich, die Kirchen. Sonst in Not, Sorge und Bedrängnis der Hort. Sie sind zu. Und das alles um die Frage: Was ist da eigentlich passiert, das fast die ganze Welt zum Stillstand bringt?
»Wir können wieder Gottesdienst feiern, anders, die Familien
sehen, anders, Freunde begrüßen, anders, die ersten
Kultur-Veranstaltungen planen, anders.«
Ein Redakteur von „Die Welt“ schrieb: „Der liebe Gott hat die Faxen mit uns dicke.“ Wir lernen wieder – was für ein Kriegskind wie mich, Erinnerungen wach rief – Verzicht, Einschränkung, nichts ist selbstverständlich, Hilfe für andere geboten, ja und Demut. Mein kleiner Tageskalender der Caritas schrieb: „Ich glaube, dass man gut, dass man demütig sein muss, dass man verzeihen muss. Das glaube ich von ganzem Herzen.“ (Lew Tolstoi).
Sie fragen, was man Gutes erlebt hat. Das gehörte dazu, weil es auch viele andere erkannt haben. Junge Mitbewohner im Haus, die unaufgefordert Hilfe anboten, die sich erkundigten: „Wie geht es Ihnen?“ Auch, wenn es keine Gottesdienste in der Kirche gab, St. Marien hatte unverschlossene Türen und die Glocken läuteten jeden Tag. Wann immer mich der Weg in die Nähe führte, gehörte die kurze Einkehr dazu. Mehr als je zuvor. Das gehört auch zu dem Guten. Wenn die Passionswoche ohne die großen Passionsmusiken schon schwer war, wäre Ostern Traurigkeit geworden. Aber, am Ostersamstag stand ein kleines Bambuskreuz, einfach mit einer Kordel gehalten und einer Karte mit einem Kreuz aus Händen und einem Gebet vor der Haustür:
Jesus braucht deine Hände.
Lass uns das Leben feiern!
Denn: Das Licht hat die Nacht überwunden
Die Freude hat die Traurigkeit verjagt.
Die Liebe war stärker als der Hass.
Das Leben hat den Tod besiegt.
Frohe Ostern
Eine Frau aus der Gemeinde hatte diese Kreuze gemacht und mit Ihrem Mann zu den Häusern und Wohnungen gebracht. Ostern! Das Kreuz steht weiterhin auf meinem Arbeitstisch und wird mich erinnern, dass Ostern mehr ist, als ich kannte. Nun, heute ist einiges – oder besser vieles – wieder da, anders. Wir können wieder Gottesdienst feiern, anders, die Familien sehen, anders, Freunde begrüßen, anders, die ersten Kultur-Veranstaltungen planen, anders. Wie Hermann Hesse in seinen „Stufen“ schon schrieb „denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
Johannes Schneider, Quickborn